Furcht als Lebens-Retter und Angst als Lebens-Behinderer
Manchmal reagieren wir und verstehen uns dabei selbst nicht!
Wenn Sie bei Ihrem Abendspaziergang im Wald einem Säbelzahntiger begegnen und Ihr Stammhirn den Impuls sendet, die Flucht zu ergreifen, sich tot zu stellen oder zu kämpfen ist dies eine weise Entscheidung und eine lebenserhaltende Reaktion auf eine aktuell drohende Gefahr.
Wenn sich beim Bäcker jedoch jemand vordrängt und Sie sich nicht trauen zu sagen, dass Sie jetzt an der Reihe sind, ist das eine Angst, die nichts mehr der realen Situation zu tun hat.
Wir handeln und wissen im Moment gar nicht genau, was uns da hat re-agieren lassen.
Da war ein flaues Gefühl im Magen, eine “vernünftige” Stimme im Kopf, ein Erstarren des Körpers, wir machten “die Faust im Sack” oder gaben eine sarkastische Antwort. All das sind mögliche Reaktionsweisen und häufig ein Ausdruck letztlich von Angst.
Was ist also der Unterschied zwischen Furcht und Angst?
Die Furcht ist lebensnotwendig, da sie dazu motiviert, gegen die Bedrohung Abwehrmaßnahmen zu ergreifen (z.B. erhöhte Wachsamkeit), ihr zu entgehen oder ihr entgegenzutreten. Sie ist eine Reaktion auf eine gegenwärtige oder zu erwartende Gefahr und ist meist rational begründbar.
Angst hingegen ist diffus, auf der kognitiven Ebene nicht begründbar und auf der körperlichen Ebene spürbar.
Angst ist eine Emotion, die sich aus einer alten Erfahrung oder Prägung auf eine aktuelle Situation lädt. Wir haben als Kind eine negative Erfahrungen gemacht und die Erinnerung daran lässt uns als Erwachsene Angst haben. Oder wir sind so erzogen worden oder geprägt davon, was unsere Eltern gedacht, gefühlt, getan und vorgelebt haben. Ängste werden unreflektiert einfach übertragen.
Gerade in kleinen „alltäglichen“ Situationen sind wir uns seltenst bewusst, dass hinter unserem Nicht-Sagen und Nicht-Tun eine Angst steckt. Wir verspüren ein diffuses Unwohlsein, ein Enge-“Gefühl“, einen Druck auf der Brust. Oft wollen wir nicht wahrhaben, dass es Angst ist. Angst haben, gilt ja in unserer Gesellschaft nicht gerade als Stärke. Und bei Männern gleich dreimal nicht. 🙂
Und nun?
- Es gibt verschiedene Strategien – unbewusst – mit Angst umzugehen. Wir meiden Situationen oder Personen aus Angst vor Konflikten und weichen aus.
- Wir bagatellisieren und spielen die Emotion vor uns selbst und anderen hinunter. Wir verdrängen uns hinderliche Angstgefühle und schieben sie weg.Wir übertreiben, indem wir inadäquate Sicherheitsmassnahmen treffen „für den Fall der Fälle“.
- Wir generalisieren, indem wir die Angst als normale Erscheinung bezeichnen und legitimieren diese damit, dass ja andere auch Angst haben.
- Dies alles läuft meist unbewusst ab.
- Unsere Ausreden können vielfältig sein: „Das lohnt den Aufwand nicht, am Ende gibt es nur Ärger, ich halte mich besser zurück, dann ist keiner beleidigt und die Harmonie gewahrt, was soll’s!, so schlimm ist es ja nicht, anderen geht’s genauso. Sei zufrieden mit dem, was Du hast etc.“
Wenn wir diese Strategien weiter pflegen und nachgeben, werden wir nichts ändern. Die Angst lähmt uns, hindert uns, unseren Weg zu gehen und das zu tun, was für uns richtig und wichtig ist. Sie ist unser “Ratgeber” und die “Instanz”, die entscheidet, was wir tun. So bestätigen wir uns nur, dass es besser ist alles beim Alten zu lassen, weil es uns vertraut und gewohnt ist und vermeiden aus Unsicherheit.
Wovor haben wir wirklich Angst?
Angst vor vermeintlichen Konsequenzen, Angst vor dem Nicht mehr geliebt werden, Angst vor Veränderung und Angst uns von etwas trennen zu müssen, auch wenn es in Wirklichkeit nicht gut ist. Wir wollen die Komfortzone, unsere Bequemlichkeit nicht verlassen.Dabei ist es nur bekanntes Leid. Uns fehlt die Perspektive und das Vertrauen, dass es anders und neu besser sein könnte.
Wie können wir bewusst mit der Angst umgehen?
- Wir erkennen, dass wir Angst haben und nehmen dies an.
- Wir machen uns bewusst, wovor wir genau in dieser Situation Angst haben.
- Was könnte passieren, wenn ich jetzt sage, was ich denke?
- Was kann passieren, wenn ich „Nein“ sage?
- Was kann passieren, wenn ich mal nicht zu dem Geburtstag gehe, weil ich heute keine Lust habe?
Häufig wird uns dann bewusst, dass unsere Befürchtungen nicht der Realität entsprechen. Und falls diese eintreffen sollten, wir mit den möglichen Konsequenzen umgehen könnten. Nun hat die Angst ihre vermeintliche Berechtigung verloren.
Es geht nicht immer um grosse Entscheide und Veränderungen. Es sind die kleinen, manchmal „banalen“ Situationen im All-Tag. Beginnen Sie dort! Erlauben Sie sich neue und positive Erfahrungen zu machen. Seien Sie neugierig und freuen sich darauf sich selbst zu zeigen, dass sich Ihr Mut gelohnt hat und dass es danach nur noch besser ist.
Sie werden immer leichter mit herausfordernden Situationen umgehen, im Kleinen und dann auch im Grossen. Je bewusster und klarer Sie sind, desto schneller erkennen Sie die Angst. Sie wissen sie einzuordnen und schon damit verliert diese an Kraft. Ihr Selbstvertrauen wächst und die Angst hat keine Macht mehr.
09.06.2018